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Kurz angemerkt von Umweltanwalt DI Dr. Martin Donat

21. Juli 2023

Informationen – beherrschen wir sie oder beherrschen sie uns? Welche Quellen sind (noch) zuverlässig und wann befinde ich mich in der eigenen „Informations-Bubble“, wo nur mehr der Standort den Standpunkt bestimmt?

Martin Donat

(Quelle: Oö. Umweltanwaltschaft)

„Das fundamentale Problem der Menschheit ist, dass wir paläolithisch alte Emotionen, mittelalterliche Institutionen und Gott-gleiche Technologien haben.“ So zitiert Tristan Harris (“The Center for Humane Technology”, San Francisco) den Soziobiologen Edward O. Wilson in einem Hearing vor dem US Senat-Ausschuss Grunddilemma einer Zukunft mit der KI (Künstlichen Intelligenz). Ein Dilemma, das nicht nur bei grundlegenden Fragen, wie der, ob wir Technologien beherrschen oder beherrscht werden, aktuell ist, sondern dieses „Zusammenspiel der Kräfte“ spiegelt sich auf vielen einfachen, weniger fundamentalen Ebenen wider. Sind Institutionen - wie Behörden/Parlamente - in der Lage, mit dem Instrument der Verfahren/Beschlüsse nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen der Betroffenen zu berücksichtigen und Lösungen anzubieten? Wie sind auch bei konfliktbeladenen Themen die Hoffnungen, Ängste und Bedenken Betroffener ausreichend abbildbar? Was braucht es dazu? Und dass es da reibt und dass da grundlegende Reflexe ausgelöst werden, merken wir immer wieder. Zwei Beispiele aus der Gegenwart: die wiederaufgeflammte Diskussion um die Windkraft in und das „Natur-Restoration-Law“, das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.

Dass 90% der Landesfläche auf Grund der 1000 m-Mindestabstandsregelung zu überwiegend für Wohnzwecke genutzten Gebäuden im Grünland und gewidmetem Bauland rechtlich für Windparks nicht zur Verfügung stehen ist eine Tatsache. Dass der Vogelschutz und der Verlust an Vögeln durch Katzen mit dem Verlust an Vögeln durch Windräder fast bis rein gar nichts miteinander zu tun hat, auch. Die Verluste an Seeadlern und Schwarzstörchen durch Hauskatzen waren bisher kein Thema und werden es auch nicht sein. Der Verlust durch Windräder aber schon. Dass 1% der beanspruchten Landesfläche durch die hochgegriffenen Ausbaupläne von 400 Windkraftanlagen in nicht das Thema für den Landschaftsschutz in ganz sein kann, ist wohl keine Tatsache. Denn die von der Windkraftanlage direkt überstrichene Fläche wird da mit der Fläche des Wirkraums „verwechselt“: denn eine Windkraftanlage sieht man auch, wenn man daneben und nicht nur wenn man darunter steht. Und so lassen sich die tatsächlichen und die gefühlten Tatsachen weiterspinnen, und die meist angebotene „Institution“ am Ende bleibt das „Umweltverfahren“, die „Königsdisziplin“ das UVP-Verfahren, wo – so die landläufige Meinung – alles geregelt wird. Nach der Statistik des UBA wurden an abgeschlossenen UVP-Verfahren bis dato ca. 96% bewilligt, 3% nicht bewilligt, 1% zurückgewiesen. Die Zahlen und die Anzahl der sich bei Projekten spontan bildenden Bürgerinitiativen sprechen für sich und machen auch deutlich, dass da – nach E.O. Wilson – die „paläolithischen, alten Emotionen“ und die „mittelalterlichen Institutionen“ aufeinanderprallen und die Lösungsansätze überschaubar sind. Institutionelle Ansätze, wie jener, das Landschaftsbild einfach auszuklammern, heißt ein Stück weit auch, die Emotionen auszuklammern. Und die Reaktionen folgen prompt und heftig.

Die eben erst knapp beschlossene „EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ mit dem Ziel der Wiederherstellung von Ökosystemen, Lebensräumen und Arten in den Land- und Meeresgebieten der EU legt verbindliche Ziele in sieben Handlungsfeldern fest (wie zB. Ackerland, Torfgebiete, Bestäuber und Meeresböden). Mit dem Ziel, die durch unkontrollierte menschliche Aktivitäten und den Klimawandel verursachten Umweltschäden rückgängig zu machen. 81% der Lebensräume sind derzeit in einem schlechten Zustand. Der Erfolg der „Ökologisierungsprogramme“ in der Landnutzung ist bisher überschaubar bis nicht existent. Durch die Maßnahmen auf Basis des „Naturwiederherstellungsgesetzes“ sollen bis 2030 mindestens 20% der Land- und Meeresgebiete der EU und letztlich alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme bis 2050 abgedeckt werden. Auch Maßnahmen zur Sicherung des Bodens sind Teil des Pakets.

Die emotionalen Gegenpositionen sind die Warnung vor Enteignung – die nirgends im Gesetzesentwurf, auch bei intensivem Nachlesen, zu finden ist – und die Bedenken vor dem Verlust der Versorgungssicherheit.

In sind 1 Promille (= 1 Tausendstel) der Landesfläche Moorböden, meist in Waldgebieten und der Verlust an Ackerboden durch den ungebremsten Bodenverbrauch ist das wesentlich drängendere Problem – und dass es immer noch keine verbindliche Ausweisung landwirtschaftlicher Vorrangflächen gibt, sondern nur vage Ziele und unverbindliche Strategien.

Die Wasserrahmenrichtlinie hätte jetzt schon die Herstellung des guten ökologischen Zustands bzw. Potentials bis 2027 festgeschrieben – in nunmehr verbleibenden 4 Jahren wenig realistisch. Grund dafür u.a.: das schaumgebremste Agieren und die Tatsache, dass Naturverbrauch (hier: Gewässerverbrauch) mangels Wasserzins (der die Maßnahmen finanzieren könnte) in Österreich ein Tabu sind.

Der Umbau der Wälder – durch Stürme und Borkenkäfer und nicht durch Renaturierungsambitionen befeuert – findet statt. Der Kobernaußerwald zeigt es vor.

Mehr Grün in Ballungszentren ist allein wegen der Klimaentwicklungen im Wohnumfeld ein Muss. An Gründächer (mit Solarnutzung) und die Wiederkehr nicht nur Bonsai-artig kleiner Bäume oder „Restgehölze“ in ausgeräumte Straßenfluchten, in den Randzeiten verödete Parkplatzflächen und kahle Innenhofbereiche wird man sich – sinnvollerweise – gewöhnen müssen.

Auch in Fragen der Regenretention und des Haltens des Niederschlagswassers in der Landschaft wird man sich an konkrete Maßnahmen und Festlegungen in Siedlungsbereichen wie auch in „Grünsteppen“ landwirtschaftlicher Intensivnutzung gewöhnen müssen, weil die Schäden im Unterwasser durch Extremereignisse - ohne entsprechenden Puffer - zu groß werden.

Die Überlegungen des Naturwiederherstellungsgesetzes sind also keineswegs utopisch, sondern – nur auf einem Fünftel der Fläche – durchaus vernünftig. Und das noch mehr, sollte die kolportierte Schätzung der EU stimmen, dass pro investiertem Euro mit 8 bis 38 € an Vorteilen zu rechnen ist. Aber offenkundig hat es an der „Übersetzung“ gehapert, sonst wären die Emotionen nicht so hoch gegangen, wie sie es sind. Und wieder grüßt E.O. Wilson mit dem Sager über die „paläolithisch alten Emotionen“, die auf die „mittelalterlichen Institutionen“ prallen.

Da hilft auch nicht die dritte Komponente der Gleichung, die „Gott-gleiche Technologie“, denn die stellt sich mehr als unterschwellig wucherndes potentielles Problem und nicht als „Heilsbotschaft“ heraus.

Was ist zu tun?

Es gibt nicht die Antwort, sondern wohl etliche Antworten. Aber es gibt doch Elemente, die bei all diesen Lösungsfindungen eine Rolle spielen: Zuerst einmal der ehrliche Diskurs. Fakten-basiert, möglichst wenig ideologisch gefärbt. In der Auseinandersetzung durchaus hart, aber mit Hinblick auf ein Ergebnis. Formate, die Partizipation und emotionale Teilnahme nicht allein auf reine Repräsentant*innen-Entscheidungen reduzieren.

Was ist den Menschen (noch) zumutbar? Und Änderungen sind uns auch zumutbar und das Gemeinwohl baut sich nicht nur auf Rechten, sondern auch auf Pflichten aller auf. Am Ende gibt es Entscheidungen – auch wenn diese nicht immer alle glücklich machen dürften.

Wie geht man voran und verliert sich nicht aus dem Blickfeld jener, die man zu führen hofft? Szenarien zu zeichnen, ist notwendig. Helfen Katastrophen-Szenarien vielleicht manchmal, dass sich etwas in Bewegung setzt, sind es längerfristig positive Zukunftsvisionen, die eine tragbare Basis bieten und zum Wandel inspirieren. Aber nicht Visionen 2050, 2080, 20nie, sondern in Zeit und Erfahrungsraum greifbare Schritte. Termine setzen bringt was, weil sie Druck erzeugen, der Bewegung anstößt. Und Konsequenzen. Alles nichts Neues. Aber es ist erst die Änderung in der Struktur in den alltäglichen Arbeits- und Budgetabläufen, die den Wandel am Leben hält und aus der singulären Maßnahme eine Entwicklung macht.

Positive Beispiele und Optionen eines Wandels gibt es viele. Auf dieser Ebene verblassen auch künstlich ideologisch leicht angehauchte Diskussionen über Klima- und Biodiversitätskrise, ohne diese Tatsachen zu negieren. Auf dieser Ebene lassen sich auch Lösungen auf breiter Basis finden. Es wäre zB. eine lohnende Aufgabe für Länder und Gemeinden, sich diese Positivbeispiele systematisch anzuschauen, zu identifizieren, welche strukturellen Änderungen es bei einer breiteren Umsetzung dieser Maßnahmen braucht und diese Anpassungen auch umzusetzen. Diese Organisation der systematischen Übersetzung des Wandels in unseren Alltag fehlt. Hier gilt es anzusetzen.

Martin Donat
Oö. Umweltanwalt