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Stellungnahme der OÖ. Umweltanwaltschaft zum Entwurf der Oö. Wolfsmanagementverordnung

20. Juli 2023

In Oberösterreich soll es mittels Wolfsmanagementverordnung rechtlich zulässig werden, Risiko- und Schadwölfe abzuschießen. Bereits im Jahr 2021 hat die Oö. Umweltanwaltschaft zu dieser Thematik eine Studie namens „Rechtliche und fachliche Aspekte des Wolfschutzes“ in Auftrag gegeben, weswegen auf diese in der Stellungnahme auch immer wieder Bezug genommen wird.

Wolf im herbstlichen Wald blickt über die Schulter zurück

(Quelle: @jimcumming88 - stock.adobe.com)

Aus rechtlicher Sicht ist festzustellen, dass der Wolf einem strengen europarechtlichen Schutzregime unterliegt und eine Ausnahme davon nur unter bestimmten kumulativen Voraussetzungen möglich ist:

  • Ausnahmegründe nach Art 16 Abs. 1 lit a-e FFH RL
    Der Ausnahmetatbestand im Sinne der lit b bspw. erfordert insbesondere „ernste“ Schäden an der Tierhaltung. Bei Erarbeitung der Verordnung ist daher besonderes Augenmerk auf aussagefähige Zahlen zu legen und sind die fundierten Zahlen zu Wolfsrissen auch in Relation mit den in Oberösterreich gehaltenen Nutztieren zu setzen. Denn wenn im Ergebnis nur von einem minimalen Verlust von Weidetieren, welcher den Landwirten darüber hinaus auch noch entschädigt wird, auszugehen ist, ist eine Ausnahme vom strengen Schutz nicht zu rechtfertigen.

    In den letzten 40 Jahren gab es in der gesamten EU keinen nachgewiesenen tödlichen Angriff eines wildlebenden Wolfes auf einen Menschen. Wölfe reagieren grundsätzlich nicht aggressiv auf Menschen und das in den Medien immer mehr werdende Schüren von Ängsten vor dem Wolf ist unbegründet, insofern ist eine Ausnahme im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit schwer durchzusetzen.
     
  • „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“
    Das Abstellen auf eine anderweitige zufriedenstellende Lösung zielt insbesondere auf die Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen, etwa mittels Zäunen, Hirten und Herdenschutzhunden ab. Aus dem bisherigen Verordnungsentwurf und den beiliegenden Erläuterungen kann nicht nachvollziehbar nachgelesen werden, welche Herdenschutzmaßnahmen bisher in Oberösterreich gesetzt wurden, ob diese vollständig und bereits flächendeckend erprobt wurden bzw. warum und in welchem Maße diese nicht zu einer Vermeidung von Schäden an Nutz- und Weidetieren beigetragen haben. Dies wäre unbedingt noch zu ergänzen und zu begründen.
     
  • „keine Beeinträchtigung der Population in seinem günstigen Erhaltungszustand“
    Die Frage nach der Ermittlung des tatsächlichen Erhaltungszustandes einer Art bedarf einer vertiefenden juristischen Betrachtung, denn es herrschen verschiedene Rechtsmeinungen darüber, welche Ebene für die Beurteilung des günstigen Erhaltungszustandes gewählt werden muss. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist dazu gerade anhängig.

Hervorzuheben ist auch der Umstand, dass die nunmehrige Ausnahmeregelung in Form einer Verordnung ergeht und nicht wie bisher in Gestalt eines Bescheides, wie es in der Vergangenheit auch in anderen Bundesländern gängige Praxis war. Gerade die in der Aarhus-Konvention enthaltene Verpflichtung, wonach die Vertragsparteien im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherzustellen haben, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anfechten zu können, droht ins Leere zu laufen.

Auch in den einzelnen Verordnungsbestimmungen und den dazugehörigen Erläuterungen können Kritikpunkte festgemacht werden. So wird der Erhaltungszustand etwa eigenwillig beurteilt und nicht an die Kriterien in der FFH RL angelehnt. Faktum ist, dass der Erhaltungszustand des Wolfes in den unterschiedlichen biogeografischen Regionen der Europäischen Union für die Berichtsperiode 2013-2018 mit Ausnahme der alpinen biogeografischen Region mit U1 (ungünstig-unzureichend) geführt wird. Für Österreich gibt es keine offiziellen Angaben zum Erhaltungszustand. Vergleichende Zahlen kommen aber zum Ergebnis, dass ein günstiger Erhaltungszustand in Österreich mit einer Zahl von rd. 1100 Wölfen erreicht ist. Somit kann zumindest aktuell nicht von einem günstigen Erhaltungszustand ausgegangenen werden.

Zudem liegt der Zweck dieser Verordnung einzig in der Regulierung im Sinne einer Eindämmung der Populationsentwicklung einer prioritär geschützten Tierart und sieht keinerlei Managementmaßnahmen vor, die dazu dienen, in Österreich eine Wolfspopulation mit einem günstigen Erhaltungszustand zu etablieren.

Vergrämung spielt in der ggst. Verordnung eine zentrale und in Bezug auf Folgemaßnahmen eine entscheidende Rolle. Daher sollen Vergrämungsmaßnahmen auch dokumentiert und gemeldet werden. Die Schwachstelle dieser Vorgehensweise liegt jedoch darin, dass die gemeldeten nicht zwingend auch den tatsächlich durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen entsprechen müssen. Es gibt keine taugliche Kontrollmöglichkeit.

Bei den Vergrämungsmaßnahmen wird ebenso keine Unterscheidung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit getroffen. Wenn Vergrämungsmaßnahmen, gleichgültig ob durch optische Signale oder durch Beschuss mit Gummigeschoßen und somit ungeachtet ihrer Intensität, nicht die ausreichende Wirkung zeigen, kann der Wolf gefangen und besendert wieder freigelassen oder getötet werden. Indem die Tötung in gleicher Weise zulässig ist wie das Maßnahmenbündel Fang-Besenderung- Freilassung-Beobachtung, wird die bewusste Tötung eines „unschuldigen“ Tieres in Kauf genommen. Zusätzlich ist kein Beweis zu erbringen, welches Tier tatsächlich der sog. Risikowolf ist. Es reicht die Vermutung, dass es sich bei dem ins Visier genommenen um den (vermeintlichen) Risikowolf handelt.

Ungeachtet dessen müssen genauere Kriterien und eine Abstufung für die Möglichkeit des Fanges und des Abschusses festgelegt werden, sodass keine Wahlmöglichkeit besteht und eine letale Entnahme nur die letzte Option sein kann.

Besonders problembehaftet erweist sich beim Umgang mit einem sog. Schadwolf der Umstand, dass dieser in der Regel nicht bei der Jagd bzw. beim Beuteerwerb beobachtet wird und demnach schwer festgestellt werden kann, um welchen Wolf es sich konkret gehandelt hat, denn nur dieser kann auch als sog. Schadwolf bezeichnet werden. Die korrekte und auch richtlinienkonforme Vorgehensweise wäre die, den vermeintlichen Schadwolf zu fangen, eindeutig mittels DNA-Nachweis zu identifizieren und im gegebenen Fall nicht wieder auszusetzen. Auch wird eine Ausnahme vom generellen Tötungsverbot im Zusammenhang mit der Verhütung ernster Schäden in der Tierhaltung zumindest in absehbarer Zeit nicht gerechtfertigt werden können. Denn die Schäden müssen erheblich sein, über das normale Betriebsrisiko hinausgehen und auch eine Entschädigung durch die öffentliche Hand dürfte nicht mehr verhältnismäßig sein.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass der Entwurf der VO völker- und
unionsrechtswidrige Mängel aufweist und in der gegenwärtigen Fassung aus unserer Sicht nicht positiv beurteilt werden kann.

Die Wolfsmanagementverordnung ist mittlerweile in mit Anfang Juli in Kraft getreten. Im Vergleich zum Entwurf konnten einige beachtliche Änderungen festgestellt werden:

  • Änderung der Bezeichnungen der Wolfsmanagementzonen
    Im Entwurf wurden der Nationalpark Oö. Kalkalpen sowie Zonen, die einen größeren Abstand zum Dauersiedlungsraum aufweisen (zB. Kobernaußerwald, Freiwald, Böhmerwald) als sog. Trittsteine ausgewiesen. Hier wurde die Entnahme als weitestgehend unzulässig erklärt. Verordnet wurde hingegen eine Zonierung, bei der in der kontinentalen Region der Trittstein nunmehr als Siedlungsferner Bereich in der Transitzone bezeichnet wird. In der alpinen Region hingegen wurde alle Trittsteine mit Ausnahme des Nationalparks Oö. Kalkalpen eliminiert. Hinsichtlich der Entnahmemöglichkeiten wurde damit auch ein größerer Spielraum geschaffen.
     
  • Änderung der Zulässigkeit von Maßnahmen in den Wolfsmanagementzonen
    Grundsätzlich kann nunmehr ein Wolf, der nach bestimmten Kriterien als sog. gefährlicher Schad- oder Risikowolf eingestuft und bei dem zuvor wenigstens zwei Mal der Versuch eine Vergrämung erfolglos versucht wurde, leichter entnommen werden. Die im Entwurf im Bereich der Trittsteine strengeren Schutzregelungen wurden durch ausgeweitete Kriterien und reduzierte Trittstein-Zonen weiter aufgeweicht. Den strengsten, wenn auch keinen vollständigen Schutz genießt der Wolf im Nationalpark Oö. Kalkalpen. Unklar ist die Regelung für sog. Schadwölfe in den Siedlungsfernen Bereichen in der Transitzone, wo diese erst nach drei Wochen (Anm.: Bezugszeitpunkt fehlt!) entnommen werden dürfen, sofern ein Wolf einen Hund nicht in einer Siedlung oder bei einem bewohntem Gebäude oder Gehöft  oder in offenem Gelände in einer Entfernung von weniger als 50 m zum Menschen tötet oder verletzt. Verletzt also ein Wolf einen Hund bei Anwesenheit eines Menschen im Umkreis von 50 m, jedoch weitab jeder Siedlung bzw. in einem der wenigen störungsarmen Wildtier-Rückzugsgebiete, so darf er erlegt werden.
     
  • Änderung der Kriterien zur Einschätzung von Einzelereignissen bei sog. Schad- und Risikowölfen
    Die zuvor genannte sofortige Abschussfreigabe für sog. Schadwölfe war im Entwurf nur beim zu Tode kommen eines Hundes in einer Siedlung oder bei bewohnten Gebäuden oder Gehöften „legitimiert“. Nunmehr genügt die „bloße“ Verletzung von Hunden im offenen Gelände. Beim sog. Risikowolf wurden zusätzliche Kriterien eingeführt, die ihm ein gefährliches Verhalten attestieren. Und zwar dann, wenn er sich in die Nähe des Menschen begibt, wenn dieser ihm – vermutlich unfreiwillig, aber jedenfalls fahrlässig – Futter bereitstellt.

Aus den Medien war zu erfahren, dass 20 Stellungnahmen zur Wolfsmanagementverordnung beim Amt der Oö. Landesregierung eingegangen sind, wovon zwölf ablehnend und sechs zustimmend ausfielen. Vergleicht man den Inhalt der Verordnung mit dem Verordnungsentwurf, so fällt auf, dass die kritischen und letztlich ablehnenden Stellungnahmen, wie jene der NGOs und der Oö. Umweltanwaltschaft, unbeachtet blieben. Das nunmehrige Ergebnis legt nahe, dass den unkritischen und letztlich zustimmenden Stellungnahmen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde und weitere „Verbesserungsvorschläge“ gerne aufgenommen wurden. Da die eingegangenen Stellungnahmen weder öffentlich gemacht wurden (Stichwort Transparenz), noch gegenüber den einbringenden Stellen ein kommentiertes Antwortschreiben erfolgt ist (Stichwort Wertschätzung), bleibt vieles im Dunklen und lässt der Mutmaßung Spielraum.

Die Verordnung dient letztlich jedenfalls nicht einem Wildtiermanagement für eine streng geschützte Tierart, sondern regelt vordergründig deren Vergrämung und Tötung. Nirgends in Oberösterreich wurden störungsarme Gebiete ausgewiesen, wo sich der Wolf vor menschlicher Verfolgung weitgehend sicher zurückziehen kann. Die gesamte kontinentale Region wurde als Transitzone eingeordnet. Hier hat der Wolf demnach keine Existenzberechtigung. Weil der günstige Erhaltungszustand ohnehin längst erreicht wurde und dieser auch für die Zukunft gesichert sei. So die Argumentation gegenüber den Medien. Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist jedoch die Feststellung in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf: „Das Wolfsvorkommen in Oberösterreich ist derzeit noch kein Signifikantes.“

Somit wurde ungeachtet aller Unklarheiten und geäußerten Bedenken von der Oö. Landesregierung mehrheitlich eine Verordnung erlassen wurde, die inhaltlich und fachlich in mehreren Punkten nicht nachvollziehbar ist und zu der mehrfach der Hinweis ergangen ist, dass diese unionsrechtswidrig sei.

Fast parallel dazu hat der VwGH in seinem Erkenntnis (13.06.2023, Ra 2021/10/0162, 0163) in einem Verfahren betreffend Fischotter VO in NÖ festgehalten, dass im Zusammenhang mit der Umsetzung von Unionsumweltrecht anerkannten Umweltorganisationen ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zukommen. Somit können Umweltorganisationen die Überprüfung und Aufhebung von Verordnungen bei Behörden beantragen – diese Rechte können ihnen insbesondere auch nicht deshalb versagt werden, weil (nach nationalem Recht) weder ein Antragsrecht noch ein einheitliches Verfahrensrecht bei der Erlassung von Verordnungen besteht. Weitreichende Folgen könnte diese Entscheidung nunmehr auch auf die geltende Wolfsmanagementverordnung haben – es bleibt abzuwarten, ob die Landesregierung darauf reagiert und den rechtskonformen Zustand herstellt.

Wolf Quelle: Josef Limberger, Oö. Naturschutzbund

Freitag, 26. Mai 2023

Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf der Oö. Wolfsmanagementverordnung

Der Wolf ist auf völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Ebene eine streng zu schützende Art. Mit Umsetzung der Berner Konvention in der FFH-Richtlinie wurde der Canis lupus als prioritäres Schutzgut nach Anhängen II und IV der Richtlinie normiert.

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